Lulu&Whiskey

LULU & WHISKEY – Week 1 – landscape for a dragon
Sep 26, 2021

Künstlerinnenduo aus Bern

Unsere künstlerische Praxis basiert auf einer multidisziplinären Erforschung der «Jetzt Zustände». Sie umfasst und verbindet Erkenntnisse aus den Natur- und Geisteswissenschaften mit spekulativem Denken, der Fiktion und unseren eigenen Feldforschungen in der Natur. In enger Interaktion mit unserer Umwelt filtern und sammeln wir experimentelles Wissen. Aus den wachsenden Sammlungen kristallisieren sich skulpturale Landschaften. Das sich Aussetzen in der Natur hinterlässt Spuren. Wir lassen uns in unserer Residency auf Unvorhergesehenes ein und graben gleichzeitig nach vergessenem Wissen, welches in den Steinen, den Flechten und den Pflanzen in den Wäldern und Gewässern rund um Sasso abgespeichert ist. Ähnlich wie in den Sedimenten der Zeit finden sich darin Ablagerungen von Geschichten, Sagen und Mythen. Einige davon lassen wieder an die Oberfläche dringen.

Wir begegnen Yggdrasill dem Weltenbaum, wir tauchen ab zu der nie versiegenden Quelle Hvergelmir in der Unterwelt, unterhalb der tiefsten Wurzel des Baumes. Dort rauscht es so laut wie in einem dröhnenden Kessel. In diesen Gewässern lebt der Drache Nidhögg.

Zeichen und Symbole für die Lebensformen und Wesen, denen wir auf unseren Reisen begegnen, schreiben wir auf, um damit unsere eigenen Erzählungen zu beginnen. Es gibt vieles, was wir nicht wissen. Es gibt noch vieles zu Entdecken.

Lulu&Whiskey Week 2-4
Oct 5, 2021

Im Wald ist es nie ganz still. Man glaubt nur, es wäre still, aber immer gibt es eine Menge Geräusche. Ein Specht klopft in der Ferne, ein Vogel schreit, der Wind knistert in den Blättern, ein Ast schlägt an einen Stamm, und die Zweige rascheln, wenn kleine Tiere unter ihnen durchschlüpfen. Alles lebt, alles arbeitet.
Erinnerungen steigen aus dem schweren Leib auf und sinken nieder im trägen Lauf des Blutes. Ich weiss gar nichts darüber. Ich kann ruhig vergessen, dass ich eine Frau war. Manchmal bin ich ein Kind, das Erdbeeren sucht, dann wieder ein junger Mann, der Holz zersägt, oder wenn ich auf der Bank sitze und der sinkenden Sonne nachsehe, ein sehr altes, geschlechtsloses Wesen. Ich bin einem Baum ähnlicher als einem Menschen, einem zähen braunen Stämmchen, das seine ganze Kraft braucht, um zu überleben. Oder es fehlen mir nur noch Krallen, ein dichter Pelz und lange Fangzähne und ich bin ein völlig angepasstes Geschöpf.

Frei nach «Die Wand» 1963, Marlen Haushofer