Jana Mila Lippitz & Sophie Meuresch – Week 2
June 24, 2018
Wir wachen auf und wir sehen den See. Oder die Berge. Es regnet. Der Regen wird mehr. Der Regen wird weniger. Lauter oder leiser. Wir sind beeindruckt von der Stille. Wir werden sie bald vermissen.
Wir stellen und gegenseitig Aufgaben. Wir wollen das, auf das wir blicken, mit Worten beschreiben. Versuchen, die Szenen, die wir sehen, festzuhalten. Sophie geht hinauf in den Wald, Jana steigt die Stufen hinab zum See. Oder andersrum.
Wir werden bald feststellen, dass wir nie hinterherkommen werden. Das Bild wird immer schneller sein, als wir selbst. Die Zeit wird uns immer voraus sein. Während wir über etwas schreiben, hat sich die Szene schon verändert. Wir müssen lügen, etwas hinzufügen, reflektieren oder uns an das, was gerade passiert ist erinnern, und versuchen, es aus der Erinnerung zu beschreiben.
Wir filmen. Wir blicken auf Bilder und sind gleichzeitig Teil des Bildes. Wir stehen hinter der Kamera und sind ganz still. Wir versuchen, das Bild, das wir sehen, nicht zu stören, wir halten den Atem an. Dann bauen wir das Stativ ab, schalten die Kamera aus und gehen weiter.
Wir versuchen, uns an das zu erinnern, was wir gesehen haben. An die Bilder, auf die wir blickten.
Wir sind immer im Bild, unsichtbar und sichtbar zugleich.
Wir wollen gemeinsam arbeiten. Wir brauchen eine Struktur, einen Plan, einen Rhythmus. Wir wollen versuchen, dem Tag Regeln zu geben, Abfolgen, wir wollen uns in diesen Rhythmus werfen. Durch ein ständiges Wiederholen der gleichen Dinge zur gleichen Zeit können wir einen Rhythmus finden, den wir gern haben, der einfach da ist, ohne anstrengend zu sein, einen Rhythmus, der uns automatisch weiterbringt (vielleicht).
Es ist nicht so einfach, diesem Rhythmus zu folgen und bald schweifen wir ab und verweilen oder kommen irgendwo an, wo wir gar nicht hinwollten. Aber auch dies ist ein Rhythmus, irgendwie. Oder zumindest eine schöne Melodie.
Später werden wir uns daran erinnern, wie wir versuchten, einen Rhythmus zu finden, wie wir rastlos in dem Haus umherwanderten, wie wir nach Plätzen suchten, an denen wir länger verweilen wollten oder konnten. Wir werden uns daran erinnern, dass wir immer wieder unterbrochen wurden, weil wir aus dem Fenster blicken, einen Film schauen oder essen wollten, weil wir das Haus verlassen oder der Stille zuhören mussten.
Wir können versuchen, ein Wir zu finden, vielleicht müssen wir das Ich streichen? Wollen wir über das Vergessen schreiben, wie fangen wir an, womit fangen wir an, wenn nicht ich mich erinnere oder vergesse, sondern wir? Und welche Fragen stellen wir, wenn wir nicht zu viel vorgeben wollen und nicht zu einnehmend sein wollen? Beginnen wir mit einem Wir. Wo befinden wir uns? Wir könnten auch beginnen zu sprechen. So würde der Dialog, der in diesem Text ist vom Blatt verschwinden. All das was hier steht, wären wahrscheinlich nur Worte gewesen. Es wäre das, was hinter dem stehen würde, was wir anstelle dessen geschrieben hätten. Vielleicht hätten wir einen Ort beschrieben. Vielleicht hätten wir über die Vorstellung geschrieben. Aber wir schreiben einen Text über das gemeinsame Schreiben.
Wir haben den Ort gewechselt, wir könnten nun auch die Art zu schreiben ändern, sollen wir beginnen zu sprechen oder ist es schön, gerade nicht zu sprechen?
Die Stunde ist gleich um.
Ohne das Sprechen taucht all das auf, was sich hinter dem befindet, was wir eigentlich hätten schreiben können. Was wir eigentlich schreiben wollten, vielleicht. Es ist also das Heraustreten aus dem Ganzen und das Beobachten der gesamten Szene. Sonst wäre nur das Bild selbst zu sehen (vielleicht). Vielleicht sind wir gerade jetzt in diesem Moment zu sehen, wie wir hinter der Kamera stehen und etwas filmen, während sich neben uns Menschen versammeln, die nicht auf dem Bild zu sehen sind und niemals dort zu sehen sein werden. Vielleicht würde die Sprache alles verändern (oder das Sprechen). Aber vielleicht sind wir garnicht hinter der Kamera und filmen und sehen mehr als das Bild, sondern wir sind vor der Kamera, wir sind das Bild, denn wir sind doch Hauptgegenstand der Betrachtung. Wir sind Hauptgegenstand der Betrachtung und sind im Bild und gleichzeitig betrachten wir selber. Wir sind reflexiv.