Was Anderes? – Week 3 – Die Perspektiven verschieben sich nocheinmal
August 7, 2017
Notitzensammlung:
Handlungen rücken ins Zentrum. Verstehen durch Handeln.
Ich beobachte Maia, wie sie sich auf dem Balkon, umringt von Zeitungen und Büchern voll mit post-its, im Kopieren übt. Von Hand Zitate verinnerlicht. Sätze werden Buchstabe für Buchstabe aufgemalt, auf weiches Papier mit Bleistift eingraviert – typografiert. Es scheint, jeder Buchstabe öffnet einen Zwischenraum für neue Konnotationen. Der Schriftgang übers Blatt ist ein Eintreten auf ein Gedankenfeld.
Gestern habe ich die Kinder mit zum Fotografieren genommen. Was fotografieren wir? Wie wählen wir aus? Was ist mir, was ist den Kindern wichtig? Die Frage des Ausschnitts begreifen! Wir schneiden aus einer A6 Karte ein Fenster aus – einen wirklichen Aus-Schnitt – und nehmen ihn mit auf den Weg. Ein Auge zu! (geht noch nicht immer leicht ;-), dann den Ausschnitt wählen. Ich fotografiere durch den Aus-Schnitt. Wer kann sich entscheiden? Was heisst es, eine Entscheidung zu treffen? Was heisst es, eine Position einzunehmen? Nehmen wir Positionen ein, um uns zu entscheiden?
Diskussion mit Miriam über ihre Grafiken. Die Einfachheit, Striche, Punkte und Pfeile erscheinen mir plötzlich mehr als Werkzeuge, denn als Umstand der Diskussion. Zeichnen, Gestalten, Darstellen als Methode des Verstehens.
Konnotation wird hier zu mehr als dem blossen Subtext eines Begriffsverständnisses. Konnotation knüpft hier unterschiedliche Verbindungen zwischen Situationen, auf die ein Begriff zu verweisen imstande ist.
Mit den Kindern auf Fototour.
Ein Parkverbot bei einem leeren Parkplatz, das fotografiert werden will.
Parkverbot?! Au ja, komm wir spielen einparken, obwohls verboten ist! – Ja, das darf man nämlich hier nicht! – Doch wir sind ja gar keine richtigen Autos! – Genau! Brrrrrrrum, oh pomps, sorry, reingefahren! – Brrrrrrum. Ich parkiere! Du? – Jaha! ich parkiere hier, du da! – Genau und jetzt schlafe ich hier ein! – ich aauch!! TschauTschau!
Darstellen als Methode des erspielten Verstehens von Grenzen, Zeichen, Regeln!
Marco und Martin experimentieren mit lichtempfindlichen Substanzen! Zuerst verstehe ich ihren Vorgang falsch, aber das Missverständnis löst in mir die Lust aus, im Keller der Residency eine Camera Obscura einzurichten. Ich weiss noch nicht, warum, aber ich rufe die Kinder. Zusammen bauen wir im Keller der Residency eine Dunkelkammer mit Loch, und sofort steht die Welt Kopf – das Bild der Aussenwelt ist in die Dunkelheit projiziert, der Perspektivenwechsel im Hantieren und Basteln vollzogen. Die Technik der Camera enthüllt eine ganze Konnotationskette an Perspektivenwechseln – und erst jetzt beim Schreiben des Wortes “Camera” verstehe ich die räumliche Bedeutung, die im Fotoapparat steckt! (auch wenn diese Camera sich in der digitalen Welt virtualisiert hat). Wo stehen wir in Bezug zu dem Bild? Wer oder was kreiert das Bild? Was ist unsere Position in Bezug zum Bild, wenn wir uns draussen vor das Loch ins Bild stellen?