Ariane Koch

Ariane Koch – Week 4 – Die Aufdrängung
Jun 5, 2017

Wir verstauen die Dinge in den Taschen der Jeansjacke unseres Vaters. Wir verstauen und verstauen. Die Jacke wird immer schwerer, unser Rücken immer krummer. Also legen wir uns ins Bett, wo jeweils der Gast im Halbschlaf Absonderliches von sich gibt. Ja, der Gast redet im Schlaf allerhand. Seine Traumata sind zahlreich. Wir versuchen das therapiewürdige Gemurmel als Schlaflied zu verstehen. Wir wiegen uns zu seinen Traumata. Des Morgens steht der Gast in aller Herrgottsfrühe auf und signalisiert Munterheit, während wir komplett zerschlagen unseren Kopf kaum heben können, weil wir ständig vom Überfliegen der Wüste träumen.

Ariane Koch – Week 3 – Die Aufdrängung
May 29, 2017

Wenn ein Land zu einem Massengrab geworden ist, so scheint es nicht verkehrt, sich dahin zu begeben, um zu sterben, denkt sich W. Mir. Es lässt sich längst nicht mehr auseinanderhalten, was Realität, was Bildschirm und was Realität am Bildschirm ist. W. Mir träumt nächtlich von Flügen über Städte, über Länder, über Wüstengebiete. W. Mir nimmt des Nachts die Vogelperspektive ein. Und was ist Politik anderes, wenn nicht ein andauernder Kampf um die Vogelperspektive. Die Vogelperspektive, welche nie ganz uns gehört, weil unser Fliegen stets mechanischer Anstrengung bedarf, ist eine Mischung aus romantischer Vorstellung und naturwissenschaftlicher Errungenschaft, denkt W. Mir, aber eigentlich gehört die Vogelperspektive Gott allein.

 

 

 

Ariane Koch – Week 2 – Die Aufdrängung
May 22, 2017

Der Gast brüllt unseren Namen durchs Haus. Immer und immer wieder. Wir stellen uns tot.

Ariane Koch – Week 1 – Die Aufdrängung (ein Romanprojekt)
May 14, 2017

Es ist uns unmöglich den Gast zu lesen. Wir haben es versucht. Wir haben ihn studiert, wir haben ihn observiert und gegoogelt, wir haben zwar genickt, aber seine Sprache ist komplett unverständlich. Seine Eigenarten sagen uns nichts. Seine morgendlichen Rituale sind uns ein einziges Rätsel. Er zwirbelt mit den Haaren, er schlürft milchige Flüssigkeiten aus riesigen Schüsseln, er trägt künstliche Felle um die Schultern. Der Gast ist eine einzige Geschmacklosigkeit. Er ist eine Beleidung für unser ästhetisches Auge. Wir empfinden Mitleid mit dem Gast, denn er mimt einen Hippie oder einen Mammut, er mimt ausgestorbene Spezies, die uns nicht sonderlich helfen, die Gegenwart zu verstehen. Der Gast ist ein Nostalgiker. Er hängt seinen Gedanken nach, während wir arbeiten, während wir Geld auf unsere Konti schaufeln, während wir unseren Tagen eine Struktur zu verleihen versuchen, einen Takt, ein Metronom. Der Gast hingegen zieht Kreise durch die Stunden. Er verweigert die Linearität. Die Minuten rieseln nutzlos an seinen felligen Armen hinab, aber er schaukelt nur weiterhin im Schaukelstuhl, die Augen auf das Feuer gerichtet. Wir sagen zum Gast: Das ist keine Hose, das ist ein Pyjama.